Frauenpower in der Logistik

Schaut man sich die gesamte Beschäftigungsrate in der Logistik an, sind mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer vor allem im Bereich Umschlag und Lager tätig – nur um die 3% davon sind weiblich. Ein kräftezehrender Bereich, nicht nur durch die körperliche Arbeit, sondern auch durch Schichtsysteme. Allerdings ist Muskelkraft in den meisten Berufen der Logistik keine Einstellungsvoraussetzung mehr. Durch die zunehmende Digitalisierung wandeln sich die Tätigkeiten auch außerhalb der klassischen Bürojobs in unserer Branche.

Bei den Berufskraftfahrern verzeichnet die Arbeitsagentur (zum Stichtag 30.09.2019) knapp 11.000 Berufskraftfahrerinnen. Auf die Gesamtzahl der sozialverischerungspflichtigen Angestellten, macht das sage und schreibe 1,9%. Eine Geschlechterverteilung heruntergebrochen auf die KEP-Branche, konnten wir bei unseren Recherchen nicht finden – aber dass Frauen auch hier unterrepräsentiert sind, dürfte kein Geheimnis sein. Dabei sind weibliche Fähigkeiten in diesem Bereich Gold wert! Typisch “weibliche” Skills wie Flexibilität, Serviceorientierung, Teamwork, Effizienz und ein gutes Entscheidungs- sowie Konfliktmanagement helfen, die komplexen Prozesse in der Logistik zu steuern.

Dennoch ist die Logistik und die KEP-Branche für viele Frauen nicht an Platz 1 der Berufswünsche. Oder wie oft passiert es, dass einem eine weibliche Fahrerin das Paket aushändigt? Wir finden viel zu selten! Deshalb haben wir uns auf die Suche begeben und sind bei DPD auf eine Powerfrau gestoßen, die mit Leib und Seele Paketzustellerin ist und haben sie interviewt.

10 Fragen an eine Paketzustellerin

Liebe Katty, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, um uns ein paar Fragen zu beantworten. Wir würden gerne erst ein paar Worte zu dir hören. Wer bist du und was ist deine Aufgabe?
Hallo, ich bin Katty, 31 Jahre jung, Mama von einem 3-jährigen Sohn. Seit 2011 Zustellerin und Buchhalterin für meinen Vater, der Transportunternehmer im Auftrag von DPD ist.

Die Logistik bzw. die KEP-Branche ist klar eine Männerdomäne. In den Büros findet man – wie in jeder Branche natürlich eine m/w Balance vor, aber auf der Straße ist es doch klar männlich dominiert. Wie kam es dazu, dass du Paketzustellerin geworden bist?
Mir wurde es quasi in die Wiege gelegt, mein Papa war immer auf den Straßen unterwegs. Nachdem ich zwei Ausbildungen abgeschlossen hatte und immer noch nicht zufrieden war, hat mein Vater gesagt “Krümmel, du kannst mir helfen, auch wenn du nur paar Stunden fährst und denn die Buchhaltung machst”. Und aus “ein paar Stunden” wurde ganztags 🙂

Wie viele Frauen arbeiten in deinem Depot? Und wie viele sind ebenfalls in der Paketzustellung tätig?
Bei uns im Depot arbeiten 13 Frauen und 4 als Paketzustellerinnen. Ich sehe oft Frauen die kommen, aber die auch schnell wieder gehen, weil es echt ein harter Job ist.

Mit der zunehmenden Digitalisierung ist Muskelkraft kein zwingendes Einstellkriterium mehr in der Logistik. Auf der letzten Meile ist jedoch nach wie vor ein gewisser Einsatz gefordert. DPD stellt immerhin Pakete bis zu 31,5kg zu. Was ist dein Trick?
Alles aus den Beinen heraus! Außerdem “selbst ist die Frau” – schließlich haben wir uns diesen Job ausgesucht und müssen ihn auch richtig ausüben. Es gibt aber auch sehr viele Kunden die mit anpacken, da bin ich auch froh und bedanke mich natürlich dafür.

Die Logistik und KEP-Branche sucht händeringend nach Mitarbeitern. Bis 2023 wird ein zusätzlicher Bedarf an 35.000 Stellen in der KEP Branche vermutet. Insgesamt gibt es ca. 790.000 offene Stellen in der Logistik. Was schätzt du an der Branche und wie würdest du z.B. mich davon überzeugen, auch ein Teil deines Teams zu werden?
Ich bin ehrlich, entweder man möchte diesen Job machen oder nicht, das muss jeder für sich entscheiden. Dafür bieten wir das Probearbeiten an. Wir hatten schon einige zum Probearbeiten da, die am nächsten Tag nicht mehr erschienen sind. Ein Mitarbeiter, der diesen Job nicht machen will, stört auch das Firmenklima. Das muss intakt sein, damit das Arbeiten auch Spaß macht.

Frauen werden besondere Fähigkeiten zugesprochen wie z.B. Flexibilität, Anpassungsgabe, feinfühlige Ansprache usw. Die Liste lässt sich noch unendlich fortführen. Welche dieser “typisch weiblichen” Skills merkst du während der Arbeit und wie helfen sie dir bei der Bewältigung deiner täglichen Aufgaben?
Ich glaube zu viele Unterschiede zu meinen männlichen Kollegen habe ich nicht. Wir sollten alle diese Kompetenzen besitzen.

Wie bereitest du dich auf einen stressigen Tag vor? Und hast du einen Ausgleich zu deinem Job, damit du die nötige Distanz und Erholung bekommst?
Mein Ausgleich ist meine Familie. Wenn ich zuhause bin und alle um mich herum habe, bin ich zufrieden. Wir machen gerne Familienausflüge mit unseren Sommerautos und wenn es die Zeit zulässt, gehe ich auch zum Handballtraining.

Was uns natürlich besonder interessiert: Wie genau läuft ein normaler Tag so bei dir ab? Wann beginnt dein Arbeitstag und wann endet er?
Mit einem 3-jährigen Sohn ist das etwas komplizierter 😉
Wenn meine Eltern unseren Sohn zur Kita bringen, fahr ich um 6 Uhr morgens los und komme nach Hause, wenn alle Pakete ausgeliefert sind. Das Gute ist, dass wir mit meinen Eltern in einem Haus leben. Ohne sie wäre es schwer, alles unter einen Hut zu bekommen. Mein Freund ist Umschlagsleiter bei uns im Depot und muss fast jeden Tag um 4 Uhr morgens in der Arbeit sein.
Ansonsten kann ich auch mal um 9 Uhr anfangen, dann kann ich aber auf meine Kollegen zählen. Sie nehmen meine Pakete vom Band und scannen alles ein, sodass ich nur noch einladen muss und direkt losfahren kann.

Wie reagiert dein Umfeld darauf, dass du in einer Männerdomäne arbeitest? Wie reagieren deine Freunde, die Kunden, deine Kollegen auf dich?
Für meine Freunde oder Kollegen ist es ganz normal, ich bin halt Katty! Meine Schwester ist auch eine Kollegin von mir. Wenn ich neue Leute kennenlerne, denken die zwar immer zuerst, dass ich bei DPD im Büro sitze und staunen erstmal, wenn sie erfahren was ich mache.
Ich höre oft die Frage von Kunden, wie man als Frau so einen Job ausüben kann, aber für mich ist der Beruf perfekt. Ich liebe es Auto zu fahren und diese Selbstständigkeit zu haben.

Wir sind von deinem Einsatz sehr begeistert und finden, dass du für viele Frauen ein Vorbild bist, da du mit Leib uns Seele für deinen Job brennst. Möchtest du anderen Frauen etwas auf den Weg mitgeben?
Mädels, traut euch und probiert es einfach mal aus. Man braucht auf jeden Fall Leidenschaft für diesen Job, aber bevor man es nicht ausprobiert hat, sollte man auch nicht “Nein” sagen. Wir freuen uns über jeden weiblichen Zuwachs 🙂

Katty, vielen Dank für dieses tolle Interview! Wir hoffen, dass durch deine offenen Worte, die ein oder andere Frau empowert wurde und sich auch dazu entschließt, es dir und deinen Kolleginnen gleichzutun und sich als Paketzustellerin zu bewerben.

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Quellen:
https://www.bag.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Marktbeobachtung/Turnusberichte_Arbeitsbedingungen/AGL_2019-I.pdf?__blob=publicationFile
https://www.dvz.de/rubriken/logistik/detail/news/frauen-power-fuer-die-logistik.html
https://de.statista.com/themen/1380/kep-branche/

von Rina Werner

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